Schlagwort-Archive: einführung

Warum Agilität in Unternehmen so schwer zu etablieren ist (ein Erfahrungsbericht)

Tipps für die Einführung von  Agilität & Scrum

Warum Agilität in Unternehmen so schwer zu etablieren ist (ein Erfahrungsbericht)

Ich arbeite nun schon seit 2012 als Agiler Trainer, Scrum Master & Scrum Coach mit und für mittelständische und große Unternehmen in Deutschland und Österreich. Dabei ging es in erster Linie um die Einführung von agilen Frameworks wie Scrum, Kanban oder LeSS, die Transformation von klassischen Arbeitsstrukturen in agile, oder die Optimierung bereits vorhandener agiler Prozesse und Vorgehensweisen.

Ich bekomme von Kunden und Seminarteilnehmern regelmäßig die Frage gestellt,  wo denn die großen Stolpersteine in der „Agilisierung“ liegen. Aus diesem Grund habe ich nun diesen Artikel verfasst.

Was benötigt es, um Agilität in einem Unternehmen erfolgreich zu etablieren?

Um Agilität (agile Frameworks, agile Vorgehensweisen, etc…) erfolgreich und nachhaltig in einem Unternehmen zu etablieren, sind die drei unten angeführte Punkte ZWINGEND notwendig, sonst bleiben Kanban, Scrum & Co nur leere Hüllen, oder Tool-Sammlung die mehr administrative Arbeit als vorher erzeugen und somit die Arbeit behindern. Am Ende hört man dann Sätze wie „Agilität ist ja nix für unser Unternehmen, das passt nicht zu uns“.

Folgende Themen sind also unverzichtbar für den erfolgreichen Einsatz von agilen Frameworks und agilen Prozessen:

  1. Ein Top-Management, das Agilität nicht nur von den Mitarbeitern verlangt, sondern auch vorlebt
  2. Gute Kommunikation und die totale Transparenz
  3. Hohes Selbstvertrauen aller Beteiligten und den Mut Dinge anzugehen, ohne sich durch wochenlanges Risikomanagement und Planungen in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Denn seien wir mal ehrlich: Egal wie minutiös wir planen, es kommt ohnehin immer anders als berechnet. Und wann weiß ich ob etwas geklappt hat? Erst, nachdem ich es getan habe!

Klingt erst mal nach nicht viel, aber jeder dieser Punkt, wird er nicht umgesetzt und gelebt, torpediert Agilität massiv.

Ich persönlich erlebe immer wieder das Firmen, die beispielsweise Scrum und/oder Kanban einführen wollen, an selben Symptomen leiden, allem voran dem (Miss)Verständnis von Agilität. Dazu ein paar Denkanstöße:

Top-Down, nicht Bottom-Up!

Agilität ist eine (Geistes)Haltung und keine Tool-Sammlung.  Jeder Mensch kann auch ohne bunte Klebezettel, Visualisierungen, Backlogs, Retrospektiven und Daily-Events agil sein. Die Frameworks dienen dazu alles auf eine für alle Beteiligten gemeinsame Ebene zu heben, eine gemeinsame Sicht zu schaffen und „inspect“ und „adapt“ erst möglich zu machen.

Agilität zeigt sich also in erster Linie erst mal im Verhalten. Und das kommt im Unternehmen am wirksamsten an, wenn es „von Oben“ vorgelebt wird. Daher nützt es wenig, wenn, wie ich es heute oft erlebe, das Management Agilität anordnet, aber selber an den klassischen Vorgehensweisen und Prozessen festhält. Denn: Klassische Prozesse und agile Prozesse passen oft nicht zusammen. Um klassische Prozesse bedienen zu können, behindern wir oft die agilen Vorgehensweisen und umgekehrt.

In der Realität sieht es oft so aus, das im Unternehmen ein „Bottom-Up“ Ansatz gelebt wird. Das bedeutet, in den Abteilungen werden zuerst agile Teams gebildet, Rollen verteilt, agile Coaches  auf die Firma losgelassen und dann vom Management erwartet, dass in kürzester Zeit mehr Effektivität und Qualität, mit den selben Mitteln wie bisher, generiert wird. Oft wird auch der Trugschluss gezogen, das Scrum die vorherrschenden Ressourcenknappheit lösen könnte, durch laufende Selbstverbesserung der Teams.

Der richtige Ansatz wäre aber ein „Top-Down“ Vorgehen. Agilität wird zuerst in der Führungsebene eingeführt und das so gewonnene Wissen und die Erfahrung  genutzt, langsam Agilität „nach unten sickern“ zu lassen. Andernfalls wird es heftige Abstoßreaktionen geben, welche die Performance und Weiterentwicklung der agilen Prozesse und Vorgehensweisen behindern und Arbeiten sogar ganz verhindern können.

Transparenz- und Kommunikationsbalance herstellen!

Durch die Transparenz, die mit der Agilität einhergeht, werden alle klassischen Prozesse und Vorgehensweisen, die an die agile Welt andocken, ebenfalls  transparent. Mißmanagement, Prozessschwächen, verschleppte Liefertermine oder Ressourcenengpässe werden gnadenlos ans Licht geholt. Und das ist manchmal nicht gewollt, was wiederum Wiederstände gegen Agilität auf den Plan ruft.

Jedoch ist  diese „Prozessdurchleuchtung“ durchaus als Chance zu verstehen. Agilität kann ein perfektes Mittel sein, um als Inputgeber für sinnvolle Prozessoptimierungen herzuhalten.

Transparenz herzustellen klappt ganz gut, wenn wir uns in der ersten Zeit diszipliniert an die Vorgaben agiler Frameworks wie Scrum halten. Aber auch hier ist es eine große Herausforderung, die richtigen und wichtigsten Informationen zur Verfügung zu stellen, das alles in der idealen Form, also klar verständlich und anknüpfungsfähig und dies  auch noch den richtigen Mitarbeitern und Kollegen.

Transparenz sollte immer eine „Holschuld“, keine „Bringschuld“ sein, was wiederum eine fortgeschrittene  „agile Reife“ der Beteiligten voraussetzt. Jeden mit Tonnen von Informationen zu überschütten die Ihn nicht interessieren, ist da kontraproduktiv.

Agilität setzt auf Kommunikation und ergebnisoffene Dialoge. Aber wir wissen alle: Was wir meinen und was beim anderen ankommt, ist oft sehr unterschiedlich. Wir missverstehen uns und daraus resultieren ungefähr 80% unserer Konflikte. Gute Kommunikation ist also eine Sache für Profis und selbst die tun sich schwer damit. 🙂 

Die Sache mit dem Selbstvertrauen

Funktionierende, gelebte Agilität ist pures Selbstvertrauen. Und mal ehrlich: Jemand, der in der klassischen Welt Karriere gemacht hat und immer weiter aufgestiegen ist, will meistens gar nicht, das die Mitarbeiter zu viel Selbstvertrauen haben. Es passt doch nicht ins Weltbild, wenn man seinen Mitarbeitern plötzlich erlaubt Dinge selber in die Hand zu nehmen, die man bisher immer persönlich entschieden hat. 🙂 

Aus Sicht vieler Mitarbeitet wäre man ja auch dumm, wenn man plötzlich Verantwortung übernimmt bezüglich Themen, die bisher immer ganz bequem vom Chef erledigt wurden. Man könnte ja eine „auf den Deckel bekommen“ wenn es nicht klappt.

Wir machen das seit 30 Jahren so!

All diese Themen entstehen aus dem, was wir gewohnt sind, dem „command-and-control“-System, das wir seit mehreren Jahrzehnten in den Firmen leben. Nun plötzlich kommt die Anweisung, dies alles aufzubrechen und agil zu werden, was dem „Prozess-gibt-vor-was-zu-tun-ist-und-Chef-nickt-ab“-Prinzip total widerspricht.

Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war es immer schon so, das sie eine Job haben der „aushaltbar“ ist. Immerhin müssen Sie ja davon leben und nix ist perfekt im Leben. Das macht zwar keinen glücklich, aber ist eben der tägliche Broterwerb. Und mit Zufriedenheit oder Spaß an der Arbeit tun wir uns daher schwer. Denn unser Empfinden ist es, das Spaß und Arbeit ja irgendwie nicht zusammenpassen. Daher bleiben wir lieber in alten, gewohnten und vermeintlich sicheren Fahrwassern. Die Komfortzone ist uns da lieber, als das Neue, Unbekannte, Bedrohliche „da draußen“. 🙂 

Aber das die Welt sich in den letzten Jahren, auf Grund der Globalisierung und des Zusammenwachsens der internationalen Märkte, wo ein Kunde alles und sofort haben kann und blitzschnell zur Konkurrenz wechselt wenn er etwas nicht gleich von uns bekommt, geändert hat, dürften viele Arbeitnehmer in Mitteleuropa noch nicht begriffen haben.

Fazit

Agilität ist in vielen Deutschen und Österreichischen Unternehmen aktuell nicht einfach umzusetzen, aber wenn wir das Abenteuer trotzdem mutig angehen, werden wir merken, das Arbeit nicht nur tatsächlich Spaß machen kann, sondern das unser Unternehmen mit der Zeit viel schneller und flexibler auf die Anforderungen der Märkte, und im Endeffekt des einzelnen Kunden (dann Märkte bestehen ja daraus, das vergessen wir immer ganz gerne mal) 🙂 reagieren kann.

Diesen Artikel können Sie auch als Pdf-Datei hier downloaden.
Shortlink: https://kurzelinks.de/bql8

(c) 2019, AML